Tiergestützte Heilpädagogik

Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Tiere in meine heilpädagogische Arbeit einzubeziehen.

Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Tiere in meine heilpädagogische Arbeit einzubeziehen und habe vor Jahren begonnen, Hunde, Katzen und Kaninchen einzubinden. Das muss nicht immer mit realen Tieren vor Ort geschehen – in pädagogischen Angeboten nehmen Kuscheltiere oft Stellvertreterpositionen ein. In der Kinderbetreuung kam es inzwischen zu zahlreichen Treffen mit verschiedenen Tierarten. In den Räumlichkeiten sind  keine Tiere dauerhaft anwesend, im Gartenbereich sind Kaninchen anzutreffen. Das bedeutet, dass die Kinder nicht fortwährend mit Tieren umgeben sind, es aber Berührungspunkte gibt, wenn mich Chihuahuadame Peppi begleitet. Besonders erfolgreich arbeite ich in jedem Jahr mit einem Känguruprojekt zur Eingewöhnungszeit. Viele Ethnologen, Pädagogen und Philosophen sind sich darin einig, dass Kinder in den ersten Lebensjahren den Tieren in vielen Lebensmustern ähnlich sind.

Hunde kamen in der Arbeit mit gehörlosen Menschen oft zum Einsatz. Hier erweist es sich als hilfreich, dass ein Hund auf Sicht- und Hörzeichen reagieren kann. Ich bemerkte, dass verschiedene Tiere unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Der Kampffisch z.B. veranlasste unruhige Kinder zur ruhigen Betrachtung des Aquariums und die von uns besuchten Schafe hatten einen derart hohen Aufforderungscharakter, dass sich ein sonst sehr anhängliches, ängstliches Kind fröhlich und ohne Aufforderung von mir wegbewegte.

Kinder stehen den Tieren in den meisten Fällen offen gegenüber. Tiere fordern kein gutes Benehmen und erlauben Sinnlichkeit (beim Streicheln, Riechen u. s. w.) Sie sind „Natur“ und erwarten „Natur“. Sie erlauben „Sinnlichkeit“. Es ist erwiesen, dass Menschen sich schon immer an Tieren und der (friedlichen) Natur orientiert haben, um sich selbst Sicherheit zu verschaffen. Der Umgang und besonders das Streicheln von Tieren mindern Stresssymptome, senken z. B. den Blutdruck. Ein weiterer Aspekt, der nicht nur auf Kinder zutrifft ist der, dass Tiere zum Lachen und Spielen reizen. Damit bewirken sie chemische Prozesse im Körper, die Wohlbefinden auslösen und schmerzhemmend wirken, weil das körpereigene Opiatsystem auf Hochtouren arbeitet. Die gesamte Muskelspannung (besonders auch im Gesicht) fährt etwas herunter. (Ein Aspekt, der oft in Zusammenarbeit mit spastischen Menschen genutzt wird.)

Gerade zu kleinen Kindern oder Menschen, die auf kognitiver Ebene nicht gut erreicht werden können, lässt sich so auf emotionaler Ebene ein guter Zugang finden. Tieren gegenüber fühlen sich Kinder oft näher als Erwachsenen, weil sie in Tieren Du-Evidenzen wahrnehmen. Es ist unumstritten, dass das Kind das „Du“ früher wahrnimmt, als das „Ich“. Sie benötigen sogar ein Gegenüber, um sich als ICH wahrnehmen zu können. Darum sind Kinder Tieren gegenüber noch aufgeschlossener als Erwachsene. Das hat auch die (Werbe)Industrie erkannt, aber auch die alten Geschichtenerzähler bedienten sich im Tierreich, vermenschlichten Tiere oder stellten sie Kindern in Märchen als Freunde zur Seite. Kinder mögen tierische Begleiter, denn diese bieten sich als Identifikationsobjekte und als Symbolträger an.

Wenn ich nun auf Forschungsergebnisse von Tieren im Zusammenhang mit Kommunikations- und Empathieentwicklung und Naturerfahrungen blicke, sehe ich hier einen enormen Schatz, aus dem die Kinder im Kontakt mit Tieren schöpfen können. Das Tier ist kein Allheilmittel, es kann aber viel zur positiven Entwicklung beitragen. Die Stimmlage des Menschen wird leiser, höher und weicher im Kontakt mit Tieren, so wie es auch im Kontakt mit Babys der Fall ist. Das ist auch schon bei Kleinkindern zu beobachten. Im Kontakt mit „schutzbedürftigen Wesen“, also kleinen Tieren oder auch Babys, ruft der Mensch ein bestimmtes emphatisches Kommunikationsrepertoire ab. Der Karlsruher Pädagoge und Theologe Gotthard M. Teutsch empfiehlt Tiere sogar als geeignete Partner und Co-Pädagogen für das Lernziel Empathie.

Tiere kommunizieren analog, d.h. sie nutzen nur einen Kanal z.B. Körperhaltung, Gestik, Mimik, Blickkontakt, Berührung und sind dabei deutlich. Sie erwarten keine verbale Antwort und Fragen nicht zurück. Zum anderen erhöht ein Tier die Bereitschaft zur verbalen Kommunikation und fördert somit die Sprachentwicklung. Die Kommunikation geht häufig gefühlvoller von statten. Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Interaktionen verlaufen vom Kind aus, ohne dass sie vom Erwachsenen angeregt werden müssen. Das Tier nimmt das Kommunikationsangebot wertfrei an. Viele Menschen, besonders Kinder, erzählen ihren Tieren alles. Kein Wunder: Das Tier hört zu, ohne den Inhalt des Gesprochenen zu werten. Sie erlauben dem „unartigen“ Kind, das sich gerade „daneben“ benommen hat, sich darüber auszuweinen, dass es Ärger bekommen hat, und beurteilen das Gesprochene nicht. Besonders Hunde und Katzen spüren Niedergeschlagenheit.

Forschungen haben ergeben, dass Kinder, die mit Tieren auswachsen deutlich weniger an Allergien leiden. Das Tier als Erzieher regt die Fantasie und Erlebnisfähigkeit an, befähigt ältere Kinder zur Ordnung und Selbstdisziplin, erzieht zur Fürsorglichkeit und Verantwortung. Kognitive Leistungen werden angesprochen, das Tier bringt den Kindern die Natur näher, so auch den Kreislauf von Leben und Sterben.

„Ein Tier kann dem Kind dabei helfen, die Aufgabe des Großwerdens zu meistern“ Boris M. Levinson

„Am Tier übt sich das Kind in Barmherzigkeit oder in Grausamkeit, und erwachsen wird es dann barmherzig und hilfsbereit oder unbarmherzig und selbstsüchtig gegen seine Mitmenschen sein.“ F. Fröbel.